Eckhard Hammel
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Nicht nichts. Blick-Kadenzen im zeichnerischen Werk Herbert Bardenheuers |
I. Ueber das kuehle perspektivische Netzwerk, mit dem im Quattrocento Italiens mathematisch-naturwissenschaftliches Vorgehen auf planer Flaeche die Illusion von Raum erzeugte, wurde das betrachtende Auge einst getroestet durch die Sinnlichkeit von Farben, Figuren und Dingen, die Geschichten erzaehlten. Gold, als "Farbe" der Flaeche und damit des Goettlichen, das den Gesetzen von Raum und Zeit nicht unterworfen ist, musste weichen, damit dreidimensional-iridische Wirklichkeit wiedergewonnen, im Bild beschrieben werden konnte. Nicht mehr laenger war es der passive Betrachter, der den auf ihn gerichteten Blick der frontalansichtig gemalten maiestas domini aus dem Werk erdulden musste, sondern er war es nun, dessen subjektiver Blick sich aktiv auf das Objekt des Bildes richtete. In der Erfahrung des Sehens von Welt im Bild wechselten fortan die Grade der Simulationen von Wirklichkeiten in Bildraeumen ab, mochten es Raumverschiebungen oder -verdichtungen gewesen sein, mochte der Blick mehr der materiellen oder immateriellen Raumebene gelten. Mochten Raeume manieristisch ineinander stuerzen und bis aufs AEusserste gespannte dissonante Weltsichten spiegeln, mochten sie die klassisch gleichgewichtige Standfestigkeit eines sinnstiftenden Ideals suggerieren, so stuerzte doch der betrachtende Blick nie. Der Blick konnte auf der imaginaeren Linie von Subjekt-Objekt und zurueck Balance halten, solange Innen und Aussen des Bildes einander definierten.
II.
Wir fuegen hier ein, dass die folgenden Aussagen ueber die Abhaengigkeitsverhaeltnisse von Blicken, Sehen und Zeichnung von der Praemisse ausgehen, dass sich Sinnesleistungen und Zeichen in reflektierender/reflexiver Korrespondenz befinden. Es geben naemlich nicht nur die Sinnesleistungen evidentermassen Auskunft ueber die Zeichen, auch in der Umkehrung geben die Zeichen Auskunft ueber die Sinne. Die Zeichnungen lenken den Blick auf die Oberflaeche gefrorener makro- oder mikrokosmischer Un-Raeume, in denen Gesetze von Raum und Zeit als Fiktion wechselseitiger Projektionen bildhaft gemacht sind. In Arbeiten, in denen keine Schwelle von "Innen" und "Aussen" mehr uebertreten werden muss/kann, Input und Output zusammenfallen und als dieser Zusammenfall unendlich diversifiziert werden, versucht der Blick erfolglos sesshaft zu werden. "Luecken" und "Finten" suggerieren Wege, die unendlich werden oder im Zurueck enden. Schichtenfolgen von hauchzarten Graulasuren, die wie Glasscheiben hinter- oder voreinandergestaffelt erscheinen, erhalten nur deshalb ihre Tonvalenzen, weil sie ineinander geschoben sind oder voneinander wegdriften. Glatt spiegelnde und nur hier und dort von einer Konturlinie produzierte Binnenraeume erscheinen im Moment ihrer Verschiebung fixiert, eingeeist. Hell- und Dunkelvalenzen sind hier kein Weg zur farbperspektivischen Raumschaffung; hier sind sie labile Groessen, die angesichts ihrer Plazierungen Perspektive im woertlichen Sinn bedeuten: Der Blick kann hinter, vor oder zwischen die Farbfelder rutschen, die Schichtenfolgen koennen auch in ihrer Umkehrung wahrgenommen werden. Gleichzeitig haftet der Blick auf der Oberflaeche von Bildelementen, die im reinen Flaechenstil gehalten sind. Malerisch anmutende Verfliessungen von Graulasuren sind unterbrochen von Faeden und Linien, die wie aus Gespinsten herausgeloest wirken. Sie erinnern an die hin und her zuckenden Faeden auf der Projektionsflaeche am Ende oder vor Beginn eines Films, dort, wo nicht nichts mehr oder noch nicht nichts zu sehen ist. Solche Faeden bilden ebensowenig wie Farbverklumpungen einen bildwichtigen Punkt oder einen Mittelpunkt des Bildes aus. Treten solche Elemente auf, dann allein in inflationaeren/deflationaeren Serien. Um noch einmal auf das Auge zurueckzukommen: Man sieht mit den zwei den Raum generierenden Augen im Blick auf die Flaeche immer einaeugig. Es entsteht also bei der Betrachtung eine Art Schieleffekt, der weder den dreidimensionalen Raum tatsaechlich auszubilden im Stande waere, noch einfach in der Zweidimensionalitaet des Einzelauges zu verweilen vermag. Der Schieleffekt seinerseits verdoppelt wiederum, sodass sich in diesem Perspektiven-crossing-over ein pulsierender Sehbinnenraum erzeugt. Die zwei Augen sehen sich, indem sie sich als ein Auge selbst sehen, als Binnenblick, der keine imaginaere Gestalt findet, also kein Blickaussen reklamieren kann und demzufolge absolut real ist. Der skopische Krisispunkt besteht in dieser Darstellung des Nichtdarstellbaren, eines Zustands zwischen Stabilitaet und Instabilitaet: der Blick wird - exklusiv innerhalb seiner Binnenverfassung! - attrahiert und ueber die Attraktionsebene hinausgezogen oder aber repulsiv abgestossen. Der im Tiefeneffekt irregeleitete Blick weicht dann seitlich aus, um dort Halt zu suchen, wird jedoch in diesem, seinem vertikalen, horizontalen und diagonalen Schweifen - das entweder irgendwo, von einer Verdichtung blockiert abprallt oder aber seitlich ueber den Zeichnungsrand abdriftet - mitnichten gehalten. Der Effekt des unruhigen Schweifens vermag sich darin nicht auf die aufklaerende Rundsicht einzustellen. Freilich ist nicht nur die phantasmatische Rundsicht verwehrt, auch jede Art von geometrischer Symmetrie im Vorfeld kommt nicht zustande. In einer Analogie: Die Fraktale sind gleichsam stillgelegt, Selbstgleichheit und Wiederholung sind Kategorien nur insofern sie im Verschwinden begriffen sind.
III.
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