Text zur geplanten Ausstellung:
BASISFARBEN, Berlin, Juli 2002
Paul Heimbach
Tuschebilder, Farbmodelle und Bücher

Sehen ist etwas Alltägliches.
Farbe sehen ebenso. Wie es funktioniert, wissen wir meistens nicht, dazu geht es so selbstverständlich und schnell, das es kaum einmal Probleme bereitet. In der bildenden Kunst werden Farben als Material verwendet, durch die Unterschiedliches sichtbar gemacht werden kann. Wenn Farben indessen durchsichtig erscheinen, ergeben sich ganz andere irritierende Probleme. Das Ungewöhnlichste ist die Addition. Werden durchsichtige Farbfolien räumlich zueinandergeordnet wird diese Addition auseinandergelegt. Und die dadurch sichtbaren Teile der Überschneidungen machen sich optisch selbständig. Zwischen den Folien erscheinen Teilflächen, die eine gleichwertige Dichte erhalten. So sagt der Anschein, sie lassen sich sehen. Jede Bewegung aber verändert diese Teilflächen für das Auge. Also existieren sie nur dem optischen Anschein nach. Sie bilden sich durch die teilweise Addition der für das Auge hintereinander liegenden Farbtöne. Diese unterscheiden sich indessen von den umliegenden. Nur dadurch erscheinen sie als geometrisch fest umrissenen Flächen. Diese Illusion ist zwingend. Selbst dann, wenn man sich handfest überzeugt hat, dass diese Zwischenflächen keine materielle Substanz haben, bleibt der Eindruck unzweifelhaft erhalten. Also sehen wir etwas, das nur für das Auge vorhanden ist, aber nicht für die Hand oder einen Regentropfen.

Das ganze hat System. Ein Fall ist das Außenobjekt "Basisfarben" im Art Cube. Die Systematik wird in der begleitenden Ausstellung vorgestellt. Farben lassen sich auf vielfältige Weise kombinieren. Jede Stufe der möglichen Kombinationen lässt sich aus der danebenliegenden ableiten. Die Strategie der Kombinatorik ist hier die Schichtung. Geschichtet werden meist monochrome Flächen, nur in einigen Fällen Modulationen farbiger Tusche. Die Überschneidungen werden streng linear getrennt. Damit liegen jeweils Stufen von unterschiedlich vielen Farbschichten sichtbar nebeneinander. Keine Täuschung ist möglich: alles ist klar sichtbar. Die Entschlüsselung indessen scheitert auf den ersten Blick an der erreichbaren Komplexität – wahrscheinlich aber auch noch auf den zweiten und wiederholten. Elemente – hier die drei Grundfarben – lassen sich fürs Auge unendlich vielfältig kombinieren. Das Auge ist empfindlich für kleinste Nuancen. Und das lässt das Sehen so komplex erscheinen. Und wie es wirklich funktioniert wissen wir letztlich erst in Ansätzen. Aber jenseits dieses Wissens ist die poetische, harmonische Wirkung dieser Auswahl an Kombinationen ob ihrer Komplexität eine Form von Kunst.

Peter Gerlach